Samstag, 16. Juli 2011

Wo ist die Zeit geblieben?

Ich kann gar nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist. Es ist nun zwei Monate her, dass ich mich das letzte Mal hier gemeldet habe. Mir kommt es so vor, als wäre ich vor zwei Wochen noch in Peru gewesen. Doch viel Zeit ist seitdem vergangen und einiges ist passiert, über das ich berichten will!
Gereist bin ich eher weniger in den letzten Wochen – ein Wochenende nach Canoa, an die Küste und ein Wochenende nach Ibarra… es waren zwei wunderschöne und vor allem entspannte Kurztrips, auf denen ich die Ruhe und Gelassenheit genossen habe, denn davon findet man nur wenige im großen und lauten Quito und noch weniger, seitdem ein Baby in der Familie ist. In Ibarra haben Dirk und ich uns sogar einen ganzen Entspannungs-Tag in den Thermalbädern von Chachimbiro gegönnt inklusive einer wunderschönen Schlammmassage…
Mehr Reisen waren allerdings finanziell nicht möglich, da ich für meine 2½ wöchige Kolumbienreise am Ende meiner Ecuador-Zeit sparen musste – dazu aber später mehr!
Ich war in den letzten zwei Monaten also die meiste Zeit in Quito und habe das auch wirklich genossen. Ich habe meiner Gastmama viel mit den beiden Kleinen geholfen. Diana ist nicht unanstrengend und auch Sebastian ist kein besonders friedliches Baby und so war Norma sehr dankbar für ein wenig Hilfe. Und auch ich hatte viel Spaß dabei, mich entweder mit Diana oder dem Baby zu beschäftigen. Außerdem sind wir Anfang Mai endlich aus unserer Übergangsbehausung bei meinen Gast-Großeltern ausgezogen, wo wir die letzten drei Monate gewohnt hatten – zusammen mit 8 Personen, einem Kleinkind und mit zwei Hunden – wir zogen in das neu gebaute kleine Häuschen in „Llano Grande“, was meine Gasteltern gekauft haben. Mir gefällt es hier auch sehr gut. Zunächst einmal ist es ruhiger ohne so viele Menschen um einen herum, ich habe wieder ein eigenes Zimmer in dem ich meine Klamotten in den Schrank einräumen und mich ausbreiten kann. Dazu kommt noch, dass Llano Grande recht weit außerhalb vom Zentrum Quitos liegt. Es ist ein sehr ländlicher und ruhiger Stadtteil, was zwar auch bedeutet, dass es keine geteerten Straßen gibt, nur staubige Sandpisten, die Zahl der Straßenhunde hat sich mindestens verdreifacht und auch die Anzahl von Fliegen und Mücken im Haus ist stark angestiegen. Allerdings gibt es hier RUHE: keine Flugzeuge die im 10-Minuten-Tag über das Haus fliegen, kein Verkehrslärm, kein Hupen… dementsprechend kann ich hier auch tatsächlich FRISCHE, nicht verpestete Luft einatmen!
Ich genieße es also richtig nun ein wenig außerhalb von Quito zu leben, wo ich mich freier und auch sicherer fühle!
Doch jeden Morgen habe ich die neue Entfernung nach Quito und somit auch zu meiner Arbeit verflucht! Statt 10 Minuten mit einem Bus zu fahren, musste ich nun mindestens 70 Minuten mit insgesamt drei Bussen fahren. Doch das war noch das kleinste Übel. Viel schlimmer war es für mich, mich Morgen für Morgen in die mehr als überfüllten Busse zu quetschen. Ich war schließlich nie die Einzige, die morgens zur Arbeit ins Zentrum musste. Also warteten Dutzende von Menschen auf denselben Bus, der auch schon überfüllt an der Bushaltestelle ankam. Dann fing das drängeln, schubsen und schieben an. Jeder wollte noch in den Bus – koste es was es wolle. Da ist es auch egal wenn man noch halb aus der Tür heraushängt, wenn der Bus anfährt. Blaue Flecken waren eigentlich jeden Morgen vorprogrammiert. Wenn ich es dann tatsächlich in den Bus geschafft hatte, stand ich da zwischen einer riesigen Menschenmenge, versuchte mich irgendwie noch festzuhalten (was eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre – zwischen all den Menschen wäre es unmöglich gewesen umzufallen) und ich versuchte so gut es ging auf meine Sachen aufzupassen. Bei solchen Gelegenheiten geht es schnell, dass die Tasche aufgeschlitzt wird… So stand ich dann also da, für die nächsten 30 Minuten – ich als weiße Ausländerin, zwischen all den Ecuadorianern, was die Situation nicht gerade angenehmer machte. Mindestens die Hälfte der Augenpaare um mich herum war auf mich geheftet, von allen Seiten wurde ich angestarrt wie eine Außerirdische…
Naja, mal abgesehen, dass dieses Busfahren einfach ecuadorianisch ist, hat es sich auch immer gelohnt, denn als ich die lange und anstrengende Fahrt hinter mir hatte, war ich endlich wieder bei meinen Kindern!
Trotz anfänglicher Demotivation nach den Osterferien und immer weniger Lust „Lehrerin“ zu sein, genoss ich die letzten zwei Monate im Projekt sehr, denn es waren auch die letzten die ich zusammen mit den Kindern hatte. Am 1. Juli hatten Dirk und ich nämlich schon unseren letzten Arbeitstag.
Von mir aus hätte gerne jemand die Zeit anhalten können, denn nichts machte mir mehr Angst, als mich von meinen Kindern verabschieden zu müssen…
In den letzten Wochen wiederholten wir zusammen noch einmal alles, was die Schüler dieses Jahr in Englisch gelernt hatten, übten und übten und schrieben dann mit sehr großem Erfolg und vielen positiven Überraschungen schließlich die letzten Examen. Danach spielen wir wieder viel und machten sogar mit jeder Klasse noch eine Stunde Deutsch-Unterricht. Die Kinder waren begeistert und es fiel ihnen leichter als gedacht deutsche Worte und Sätze auszusprechen. Doch dann war er da – der 1. Juli…
Das mit dem Zeit anhalten hatte also leider nicht geklappt!
Die Kinder sangen für uns und überreichten uns mit vielen Umarmungen ihre wunderschönen Abschiedskarten und auch Dirk und ich überreichten unsere Abschieds-Fotocollage und es flossen viele Tränen – bei den Kindern, den Lehrern und bei Dirk und mir… Wir hatten eine so wunderschöne Zeit in diesem Projekt. Jedes einzelne Kind und auch unsere Kollegen haben uns so viel Freude und Liebe geschenkt, die wir niemals in unserem Leben vergessen werden. Jeder einzelne hat einen festen Platz in unseren Herzen eingenommen und sich nun von ihnen, vielleicht sogar für immer, trennen zu müssen, war sehr schmerzvoll und unglaublich schwer! Doch meine Mama hat mir sehr geholfen, mir diesen Abschied ein wenig einfacher zu machen. Sie sagte mir, dass ein Abschied schwer sein muss, denn das zeigt, wie toll die gemeinsame Zeit war. Lieber ein tolles Jahr und ein sehr schwerer Abschied als das Gegenteil! Und damit hatte sie eindeutig Recht!
Die Kinder haben mir dieses Jahr zu etwas ganz Besonderem und Unvergesslichem gemacht und ich bin sehr dankbar, dass ich das Glück hatte in diesem außergewöhnlichen und tollen Projekt arbeiten zu können!

Nun ist sie also vorbei meine Arbeitszeit und ich habe begonnen mich von Dingen und Menschen zu verabschieden, die dieses Jahr besonders wichtig für mich waren. So hatte ich auch schon meine letzte Salsa-Stunde. Fabian und ich hatten so viel Spaß beim Salsa tanzen und vor allem mit unseren super Salsa-Lehrern Luis und Moreima, die mit ebenfalls sehr fehlen werden! Doch ich freue mich schon sehr darauf, die Deutschen mit unserem Salsa-Können zu beeindrucken…
So LANGSAM bin ich also bereit zurückzukommen. Ich freue mich schon wahnsinnig auf Deutschland, auf Dinge die ich hier vermisse, wie zum Beispiel das deutsche Essen und natürlich kann ich es kaum noch abwarten meine Familie, meine Freunde und vor allem meinen Freund nach einem Jahr wiederzusehen!

Doch noch habe ich drei Wochen, die ich in vollen Zügen genießen will. Das werde ich auch tun: zusammen mit Lena und Fabian in Kolumbien! Morgen geht es endlich los und ich freue mich schon wahnsinnig. Kolumbien muss ein wunderschönes und aufregendes Reiseland sein und das wollen wir nun mit eigenen Augen sehen! Wir haben eine tolle Route quer durch das Land bis an die Karibikküste geplant. Wie ich finde, ein toller Abschluss für mein unvergessliches Jahr in Südamerika!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen