Samstag, 18. September 2010

tja, jetzt bin ich Lehrerin!

Ich sitze gerade mit einer leckeren Portion „Patacones“, eingekuschelt in eine flauschige Decke, in meinem Zimmer und dachte mir, das wäre doch mal der perfekte Zeitpunkt, ein bisschen zu erzählen! Ich arbeite nämlich mittlerweile schon seit zwei Wochen in meinem Projekt und habe noch kein Sterbenswörtchen darüber verloren…

Die kleine Schule „Instituto Suizo William Tell“ liegt im Stadtteil „Colinas del Norte“, im Norden Quitos und ist nochmal ca. 300m höher gelegen als das Zentrum. Sie ist ein ziemlich verwinkelter, bunter Ort an dem man sich sofort wohlfühlt. Die Wände sind bemalt mit den verschiedensten Märchen, sogar „Heidi“ ist zu sehen, es gibt kein einheitliches Gebäude, mehrere Gebäudeteile wurden zusammengeschachtelt, was die Schule noch kleiner und „niedlicher“ wirken lässt und jeden Morgen kommen die Kinder freudestrahlend auf uns zugerannt: „Good morning, tiiiiiiiiiiichers!“
Offiziell besuchen die Schule 120 Kinder, ich bin mir da jedoch nicht so sicher. Ich vermute dass es maximal 100 Kinder sind. Da pro Kind jedoch eine Patenschaft in der Schweiz besteht, die das Schulgeld übernimmt, wird wohl auf diesem Wege versucht, die sehr, sehr knappen Mittel der Schule ein wenig auszuweiten. Dies scheint auch tatsächlich sehr nötig zu sein. So besitzt die Schule, die aus 7 Klassen besteht, zum Beispiel nur 6 Klassenräume. Die 6. und 7. Klasse teilen sich einen Raum, was sehr anstrengend und nicht gerade förderlich für das Arbeitsklima ist.
Ein Grund für die sehr knappen finanziellen Mittel der Schule ist unter anderem die hiesige Schulpolitik. Es besteht im Moment das Gesetz, dass jedem angestellten Lehrer 14 Monatsgehalte bezahlt werden müssen. Zwölf volle Monate plus Weihnachts- und Urlaubsgeld. Da die Lehrer aber, aufgrund der 2-monatigen Sommerferien, nur 10 Monate arbeiten, ist es eine sehr teure Angelegenheit Lehrer einzustellen.
Deshalb sind Dirk (ein anderer Freiwilliger aus Deutschland) und ich da. Wir zwei sind unbezahlte Kräfte, die die Schule unterstützen sollen, da sie sich keine weiteren Lehrer und somit auch keine Englisch-Lehrer leisten kann.
Unserer Aufgabe ist es in den Klassen „3ero de básica“ bis „7mo de básica“ (vergleichbar mit 1. bis 5. Klasse in Deutschland) Englisch-Unterricht zu geben – und das jeden Tag! Wir arbeiten also so gesehen sechs Schulstunden pro Tag. Da ist das so wie in Deutschland auch, die guten Lehrer setzen sich nach der Schule hin und bereiten ihren Unterricht für den nächsten Tag vor – im Moment können Dirk und ich uns noch zu den guten Lehren zählen!
Da der Schultag jedoch schon um 7:20 beginnt, schäle ich mich jeden Tag um 5:30 aus dem Bett, damit ich um 6:30 am Bus-Terminal stehen kann – das ist wirklich ziemlich hart!
Da mir die Arbeit mit den Kindern aber wirklich viel Spaß macht, entschädigt das, für das frühe Aufstehen.
Allerdings ist es gar nicht so einfach, ohne jegliche Vorerfahrung vor eine Klasse gestellt zu werden und einfach mal so Englisch zu unterrichten.
Da kommen so einige Fragen auf: Wie ist das mit der Autorität? Soll ich streng sein oder ist es besser auf freundschaftlicher Ebene mit den Kindern umzugehen? Was soll ich den Kindern denn eigentlich genau beibringen? Wie soll ich – ohne jegliche Ausbildung – überhaupt einen inhaltlich wertvollen Unterricht machen? Und das wichtigste Frage war eigentlich: Wie soll ich es, als Deutsche mit geringen Spanisch-Kenntnissen fertigbringen, ecuadorianischen Kindern Englisch-Unterricht zu geben?
Jetzt, nach zwei Wochen Arbeit schaue ich auf den ersten Tage zurück und muss schmunzeln. Was ich mir doch selber für einen Druck gemacht habe!
In den ersten Tagen, die wirklich sehr relaxed waren (am ersten Tag waren wir 15 Minuten in der Schule, um uns den Kindern vorzustellen, an den darauf folgenden Tagen – an den „días de adaptación“ (Einführungstage für die Kinder) – arbeiteten wir ganze zwei Stunden) wurde uns alles gezeigt. Wir haben gemerkt, wie freundlich das restliche Lehrerkollegium ist und wie herzlich wilkommen wir sind. Wir sind in die Klassen gegangen und haben uns vorgestellt und einfach mal ein bisschen angefangen Unterricht zu machen! Dabei wurde uns mehr als deutlich, dass die meisten Kinder wirklich noch nicht viel können und das auch vom letzten Jahr Englisch-Unterricht durch andere Freiwillige nicht so wahnsinnig viel hängen geblieben ist, da es den meisten Kindern unglaublich schwer fällt sich englische Sätze oder Worte zu merken, geschweige denn sie auszusprechen – wenn wir es also schaffen den Kindern ein paar Kleinigkeiten beizubringen, war unser Unterricht schon erfolgreich.
Auch die anderen Fragen klärten sich auf einmal wie von selbst. Wir bekamen das komplette Material der letzten Freiwilligen, mit einem Überblick über die behandelten Themen und Beispiele für geschriebene Tests etc. – dafür bin ich wirklich wahnsinnig dankbar! – an dem wir uns einfach ein bisschen orientieren müssen, um einen sinnvollen Unterricht zu gestalten. Die Sache mit der Autorität war auch sehr schnell klar – es ist für beide Seiten effektiver wenn wir den Kindern ein wenig Druck machen und eine eher strengere Schiene fahren – wir sind nunmal ihre Lehrer… für mich war das ziemlich schwierig, sich daran zu gewöhnen, aber mittlerweile klappt es ganz gut.
Dann wär da noch die Sache mit der Sprache, aber das war wirklich von Anfang an überhaupt kein Problem. Die Kinder sind wahnsinnig verständnisvoll dafür, dass wir noch nicht so gut Spanisch sprechen und sehen über falsch ausgesprochene Worte oder falsch gebildete Formen hinweg. Die größeren verbessern und ab und zu, was auch sehr hilfreich ist. Ich kann schon ein wenig mehr Spanisch als Dirk, also helfe ich ihm weiter, wenn ihm Worte fehlen und wenn wir beide nicht mehr weiter kommen versuchen wir es mit Händen und Füßen oder bitten die Klassenlehrerin, die momentan immer noch mit in der Klasse ist, uns zu unterstützen – das ist ziemlich hilfreich, wenn wir versuchen Spiele zu erklären…
Generell ist es so, dass wir als Freiwillige bei den Kindern sehr gern gesehen sind. Sobald wir den Schulhof betreten, haben wir eine Traube Kinder um uns, jedes Kind will uns umarmen, interessiert sich für uns und ist glücklich, dass wir da sind. Das ist ein tolles Gefühl!!!
Ich bin gespannt, wie sich meine Arbeit im Projekt noch weiter entwickelt. Momentan bin ich sehr zufrieden damit wie unser Unterricht läuft und wie wir uns einbringen können – mal sehen was noch so kommt!

Zur Sprache muss ich noch was erzählen! Es ist so, dass Dirk uns ich uns auf deutsch unterhalten und das klappt natürlich perfekt – klar, so lange bin ich dann auch noch nicht hier, dass mir schon deutsche Worte nicht mehr einfallen. Aber jeden Donnerstag und Freitag kommt Aude, eine französisch-sprachige Schweizerin (auch eine Freiwillige) zu uns ins Projekt um Musik- und Kunstunterricht zu geben. Mit ihr unteralten wir uns auf Englisch. Bis jetzt war es so, dass es mir nach dem Orientation-Camp und dem Spanisch-Kurs wahnsinnig leicht gefallen ist, Englisch zu sprechen, da wir in dieser Zeit hauptsächlich englisch gesprochen haben. Doch mittlerweile ist es so, dass ich in meine englische Unterhaltung mit Aude immer spanische Worte einbaue. Mir fallen entweder die englischen Worte dafür nicht mehr ein oder mir kommen in diesem Moment die spanischen Worte einfach leichter über die Lippen. Ich finde, dass das ein sehr lustiges Phänomen ist, aber es zeigt mir auch, dass ich innerhalb eines Monats schon wahnsinnige Fortschritte mit meinem Spanisch gemacht habe und das finde ich toll, denn im Alltag merke ich das noch nicht wirklich – das ist so ein schleichender Prozess, den man eigentlich erst wahrnimmt, wenn er abgeschlossen ist…

Ich bin jetzt also schon einen Monat hier und der Alltag stellt sich ein. Ich gehe arbeiten, bereite Unterricht vor, gehe Salsa tanzen und an den Wochenenden stehen Ausflüge mit den anderen Freiwilligen oder meiner Gastfamilie an…
ICH FÜHLE MICH WOHL!!!
Doch morgen habe ich Geburtstag und ich bin mir noch nicht so sicher, ob ich mich freuen soll oder nicht! Ich glaube, ich werde das erste Mal richtig wahrnehmen was es heißt, ein Jahr von der Familie von den Freunden und von meinem Freund getrennt zu sein… Zwar bekomme ich auf jeden Fall meinen traditionellen Geburtstagskuchen und ich werde mit vielen lieben Menschen und Freunden ordentlich feiern, aber es wird doch etwas ganz anderes sein!
Ich lass mich einfach überraschen und versuche meinen 20. Geburtstag trotz allem zu genießen…

5 Kommentare:

  1. Hola Julika . Que alegria me da al saber que te sientes bien en tu trabajo. Ten por seguro que estos ninos aprecian todo lo que tu haces por ellos . Disfruta cada segundo de este ano en MI PAIS . Sera una experiencia que la recordaras toda tu vida .Cuando estes de regreso en Alemania me contaras todo en perfecto espanol . MUCHISIMOS SALUDOS . YOLANDA

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  2. Liebe Julika,
    es ist immer wieder schön dein Geschriebenes zu lesen und deine Begeisterung zwischen den Zeilen zu lesen. Liebe Grüße nach Ecuador aus dem heute mal sonnenstrahlendem Remscheid =)Niklas

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  3. Feliz cumple, Julika! Hasta muy pronto en Quito...!

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  4. Hey,
    ich hoffe du hattest einen schönen Geburtstag auch wenn er sicherlich anders war als sonst...
    Letztes Jahr um deinen Geburtstag rum waren wir auf dem Wochenende für 10 Gebote. Daran musste ich gesstern irgendwie denken!
    Ich vermisse dich und habe dich so lieb.
    Fühl dich gedrückt
    Deine Amelie

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  5. Liebe Julika,
    Mit Freuden lesen wir von deinen tollen Erlebnissen und freuen uns mit dir über deine tolle Eindrücke von deinem Land und deinen Leuten und speziell von dir. Wir gratulieren dir noch ganz herzlich zu deinem 20.Geburtstag.
    Die Webers aus dem Ellwangerischen Hubertusweg.

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